Strategiewechsel

Etappe 8: Cornegliano Laudense - Piacenza

Routenplanung
Etappe
Distanz:
Ladestand Batterie bei Ankunft:
Ladezeit:
Ladestand Batterie bei Abfahrt:
Mutmasslicher Stromverbrauch:
Mutmasslicher Batteriestand Ankunft:
Abfahrt:
Fahrzeit
40 km
10%
> 8 Stunden
100%
36%
64%
08:00
55 Minuten


Ladestation
Angaben zur Ladesäule
Gestellt von: ENEL S.p.a.
Via Cesare Calciati, 9
Piacenza / Italia
www.enelmobilitiy.it
Stecker: 2 x Unknown 240V
Avaliable for EV vehicles: Auto

- http://plugsurging.de
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E-Mail





Von:  Karl
Betreff:  in paradiso!
Datum:  27. März 2013 10:22:00 MEZ
An:          Martin Bühler


Lieber Martin,

ich danke Dir für den wahrhaft ent-sorgenden Bericht zum Frühstück, weil ich Dich jetzt wieder in sicheren Gefilden wähne. Es ist auch ein wunderbarer Kontrast zu unserer TAZ, in der ausgerechnet heute erklärt wird, dass dieser Eises-März (auch) eine Folge der generellen Klimaerwärmung sein dürfte. Wie die gewohnte Sorglosigkeit, mit der wir uns draußen bewegen, einer neuen Verletztlichkeit weicht, machst Du ja gerade vor.

Das Abenteuer mit dem verwechselten Ort kennen wir auch, als wir vor einigen Jahren im "falschen" Blatten angekommen sind. Eigentlich wollten wir vor dem Lötschberg übernachten, um nach einem geütlichen Abendessen die nächste Tagesetappe mit Vorsprung zu beginnen - bis wir von einem einsamen Hunde-Ausführer im Dunkeln erfuhren, dass wir im falschen angekommen waren - was uns noch einmal rasende hundert Kilometer in der nachtdunklen Schweiz bescherte, die uns der Herbergsvater bei der verpäteten Ankunft dann aber doch noch mit einem schönen Abendessen belohnte. Freilich lassen sich solche Geschichten netter erzählen als das problemlose stundenlange Kilometerfressen mit gelegentlichem Tankfüllen und Blasenleeren.

Mittlerweile fällt mir (natürlich verspätet) auch ein, welche verpflichtende Reiselektüre ich Dir hätte mitgeben sollen/müssen/wollen: Berlin-Moskau von Wolfgang Büscher.
Der ist zwar noch eine Nummer krasser unterwegs, nämlich per pedes auf den Spuren seines kriegsgefallenen Vaters, aber die Ungewissheit der Reise und die daraus resultierende Aufnahmebereitschaft für Lebens-Erfahrung hat doch etwas Elementares.

Du freilich bist momentan eher auf Seumes Spuren mit s(D)einem "Spaziergang nach Syrakus". Da er ein tüchtiger Wanderer war, ist er nicht viel langsamer unterwegs als Du mit Deinen verordneten Pausen. Oder doch des alten Goethe "italiänische Reise"?

Wie Du siehst, die Gedanken kreisen weiterhin um Deine Tour und gestern war ich in einer schwachen Viertelstunde kurz davor in meinen Schwedenpanzer zu steigen und Dich zu shutteln, so sehr hat der permanente Schneeregen hier meine ADAC-Gefühle strapaziert. "Glücklicherweise" bin ich davon ausgegangen, dass ich Dich telefonisch sowieso nicht erreichen würde und insofern eine Odyssee meinerseits auf den Spuren Deiner Nobile-Tour höchstens Romanwert hätte.

Heute wirst Du den Appenino überqueren und dann bis in die Gegend von Pisa kommen, schätze ich, und dann kannst Du ja schon im kurzärmeligen Hemd bei offenem Fenster die bella musica mitträllern im Land, wo die Zitronen blühn - wünsche ich Dir.

Ich drehe Dir im Geiste jedenfalls weiterhin ganz heftig den Dynamo, damit die power immer noch ein Eckchen weiter reichen möge.

Karl

Und:
E-Mail







Von:  Barbara
Betreff:  Schlafen bei offenem Fenster
Datum:  27. März 2013 12:33:00 MEZ
An:  Martin Bühler 


carissimo,

danke für die gründliche information. ja, karl hat recht: wir bibbern mit dir. jetzt nicht mehr / nur wegen des wetters, das bei uns noch immer mehr an weihnachten denn an ostern denken lässt: schnee auf krokussen..., wegen unschöner / ungesunder straßenverhältnisse / zu früh schließender raststätten, sondern ganz einfach wegen nautischer unsicherheiten. da wir uns auch immer mal ausgiebig auf die straße werfen, kennen wir auch das: im ort mit dem richtigen namen zu sein, aber leider nicht im richtigen ort (bei uns wars damals die schweiz, kurz vor der alpenüberquerung: im falschen tal abgestiegen und drum noch einmal eine nächtliche stunde windungen runter und eins weiter wieder hoch. immerhin waren wir dann wunderbarerweise noch willkommen. das wiederum ist doch eine schöne erfahrung.
gut auch zu wissen, dass du gern mit offenem fenster schläfst - so konnte dir das stromkabel in der hinsicht nichts anhaben. wie tief du jetzt schon in den süden vorgedrungen sein magst, wie viel neue bekanntschaften geschlossen? - wie viele davon so richtig ungeplant (z.b. ortsverwechslungen...)?
ob du schon 10m gefasst hast? - ob du sie brauchen wirst?

wie dem auch sei: ich wünsche dir abenteurer heute einen guten und schönen und warmen tag,
an dem du angenehm vorankommst (italien besteht ja - gottlob! - nicht nur aus plastikfliesen und maroden steckdosen!).

gierig auf weitere details grüßt b.


Zwischenzeitlich: Piacenza, die Stadt, wo nahe gelegen die Flüsse Po und Trebbia zusammen fliessen, der eine in den anderen. Über Lodi - San Martino in Strada (!) und weiter auf der SS9 Via Emilia, parke ich gegen 9 Uhr an der Via Calciati 11, direkt vor dem Gebäude, wo sich die Büros des Punto ENEL befinden. 


E-Mail





Von:  Martin Bühler
Betreff:  Wenn's nicht mehr geht, dann geht's nicht mehr
Datum:  27. März 2013 00:47:10 MEZ
An:          Barbara und Karl


Liebe Beide

Euer Mitfühlen rührt mich - dabei ist das ja alles nur halb so doll. Der kleine Löwe namens iON überzeugt mich in Bezug auf Fahrvergnügen, Leistung und Bedienerfreundlichkeit vollends. Ob dies  auch in Sassofortino mit all den Naturstrassen so bleiben wird, wird die Erfahrung zeigen, zweifeln tue ich nicht, obwohl die PR-Menschen von Peugeot und Konsorten -nach meinem Dafürhalten zu Unrecht- die kleinen Flitzer immer nur im Stadtverkehr zeigen. Eigentlich schade, denn so entsteht ein Image, das zu einseitig ist und den weit mehr Möglichkeiten des Fahrzeugs nicht gerecht wird.

Die Vielfalt an Anbietern von Ladesäulen, deren Angebot untereinander nicht koordiniert sind, die Vielzahl unterschiedlichster Anschluss- und Steckertypen und die in der Praxis noch wenig spürbare Kompetenz um nicht zu sagen das mangelnde Desinteresse an der Förderung der Elektromobilität erlebe ich als Nutzer hingegen schon fast als Zumutung. Vielleicht ist dies aber einfach nur Ausdruck dessen, dass diejenigen, die diese tollen kleinen Fahrzeuge auf den Mark bringen, eigentlich gar nicht richtig hinter der Idee stehen, sondern die Elektromobilität nur als Modetrend ansehen im Sinne von 'nice to have'. Es kommt mir fast ein wenig so vor, wie wenn Eltern nicht zu ihrem Kind stehen, das sie gezeugt haben. Mann und Frau muss sich das mal vorstellen: 

Heute fuhr ich von besagtem Motel kommend mit vollgeladenen Batterien nach Piacenza und dort gleich zum Punto ENEL, der Beratungs- und Kompetenzstelle des weltweit operierenden Energiekonzerns ENEL S.p.a. Beschwingten Schrittes und hoffnungsvoll betrete ich um 08:55 Uhr das hochmoderne Gebäude mit viel Stahl und Glas, grosse Wartezone mit in weissem Leder gehaltenen Fauteuils und grosszügig gestaltete Besprechungs'kojen'. Das mit dem Nummernziehen und blinkenden und klingenden Grossmonitoren ist in Italien ja bereits Standard. Nachdem ich dem älteren sprich in einem Alter stehenden 'Concierge' mein Anliegen vortrage, bestellt er -ohne dass ich die gezogene Nummer B 020 abwarten muss- einen Kundenberater zu mir, welcher sich mit Massimo vorstellt und mich in eine dieser mit weissen Glaswänden abgetrennten Kojen führt. Dort setzt er an, mir zu erklären, was ich vom Studium der Website eneldrive.it längst weiss, das Angebot der ENEL für Elektromobilität. Ich komme deshalb relativ schnell zur Sache und erbitte eine Vignette, für die ich gerne die vorgesehenen € 25.-/Monat bezahle, weil ich ja dann auf meiner Weiterfahrt nach Toscana das Netz von ENEL in Reggio Emiglia, Modena, Bologna und Firenze weiter werde nutzen können. Das sei mir der Monatsbetrag schon Wert. Jetzt sehe ich, wie sich das Gesicht des netten Kundenberaters in Schlips und Kragen zum Ausdruck leichter Verlegenheit wandelt. Er erklärt, dass obwohl ENEL in ganz Italien arbeite und insgesamt mehrere Hundert Ladestationen unterhalte, diese purtroppo jedoch regional verwaltet würden. Noch eindrücklicher: Die Vignette von Piacenza ist nur in der gleichnamigen Provinz gültig, die von Firenze nur in der Provinz Florenz, die Von Mailand nur in Mailand usw. Da staunt der Laie und ich noch mehr. Ich frage deshalb, ob er mir nicht einfach eine normale Steckdose im Haus zur Verfügung stellen könne, einmalig, einfach, damit ich anschliessend meine Fahrt fortsetzen könne. Sein Gesicht drückt nun nicht mehr nur Bedauern aus, sondern zusätzlich auch Verlegenheit. Wir schauen uns tief in die Augen, er mir, ich ihm. Dann erhebt er sich, verlässt für einen Moment die Beraterkoje und tut, was ein tüchtiger Mitarbeiter in einer solchen Situation tut: Er holt seinen Chef. Im vorliegenden Fall ist es eine Chefin, wie der Concierge mir im Alter hart auf den Fersen folgend, in dezentem Grau gekleidet, von der Bürde der Verantwortung, die sie wohl schon einige Zeit trägt, etwas steif und -was die Körperhaltung anbelangt- in leichter Schieflage. Trotzdem ist ihr Lächeln charmannt und gewinnend, als sie auf mich zukommt. Beinahe im Ton der Verschwörung sagt sie, sie habe eben von meiner Reise gehört und purtroppo sei das halt alles noch nicht so wie es sein sollte. Was sie mir anbieten könne? Nun, sagt Signora Patrizzia, ich dürfe im Sinne einer Promotion mein Auto mit ihrer Karte aufladen. Dies sei zwar nicht der Sinn der Sache, doch vielleicht könne ich ja ein Foto schiessen, vom Auto, von der ENEL-Ladesäule, von uns beiden. Um zu zeigen, dass ENEL für ihre Kunden immer da ist und adäquate Lösungen findet. Ma certo Signora, das mache ich gerne. Im Moment ist die Säule auf dem Parkplatz noch durch ihren E-Smart besetzt, doch -wie ein Blick auf die Energieanzeige zeigt- kann ich etwa in einer Stunde laden. Kein Problem. Ich verdrücke mich in den nahestehenden Supermercato, genehmige mir um 09:37 Uhr einen Capucho und kehre eine Stunde zu ENEL zurück. Da kommt auch schon der tüchtige Mitarbeiter gelaufen, entfernt das Ladekabel und ist glücklich, dass er nun gleich meinen Parkplatz nutzen kann, derweil ich ja zur Ladesäule fahre. Doch, was ist denn das für eine Steckdose? Jedenfalls keine, zu der einer meiner fünf zur Auswahl stehenden Stecker passt. 
Steckdose an Ladesäule ENEL
Der tüchtige Mitarbeiter kann mir auch nicht helfen, Stecker oder Adapter zu ihren Ladesäulen würden sie nicht haben, vielleicht finde ich ja einen passenden Stecker in besagtem Supermercato. Ich also wieder in den Supermercato, diesmal nicht in die Snack Bar sondern in die Elektroabteilung, doch mein Ansinnen löst dort zwar ehrlich gemeinte Hilfsbereitschaft aus aber schafft keinen Stecker. Was nun? Schräg gegenüber befindet sich eine Citroën-Garage (Mann und Frau erinnere sich: wieder Citroën!), Dallanegra SRL, concessionaria ufficiale di Piacenza. 


Wieder trage ich meine Situation vor, der nette Verkäufer schickt mich hinunter zu Mario, dem Werkstatt-Chef, der sofort damit einverstanden ist, dass ich das Fahrzeug zum Aufladen der Batterien herfahre. Gesagt getan. 


Und so mache ich mich frohgemut auf einen Stadtbummel, stoppe bei Enio Gastronomia rein -einem wirklich ausgesucht schönen Comestibles-Geschäft an der Piazza della Libertà 9- kaufe eine hausgemachte colomba für Ostern, drei Flaschen Wein, eine typische Piacenza-Salami und tausche mich vergnügt mit Enio über seine ausgedehnten Europareisen aus, die er mit seiner Frau auf dem Motorrad unternimmt. 


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Etappe 9: Piacenza - Reggio Emiglia

Routenplanung
Etappe
Distanz:
Ladestand Batterie bei Ankunft:
Ladezeit:
Ladestand Batterie bei Abfahrt:
Mutmasslicher Stromverbrauch:
Mutmasslicher Batteriestand Ankunft:
Abfahrt:
Fahrzeit
93 km
60%
4 Stunden 30 Minuten
100%
83%
17%
16:30
1 Stunde 30 Minuten


Ladestation
Angaben zur Ladesäule

Reggio Emilia (RE), Piazzale Europa

2 colonnine
Costruttore: Enel Distribuzione

- www.colonnineelettriche.it
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Am späteren Nachmittag verlasse ich dann mit gut nachgeladenen Batterien Piacenza. Die Erfahrung mit ENEL hat mich gelehrt, für die Weiterfahrt einen Strategiewechsel vorzunehmen: Ich entschliesse mich, künftig nicht mehr nach irgend welchen offiziellen Anbietern von Ladesäulen Ausschau zu halten, sondern versuchen, mich auf privatem Weg durchzumausern, sei es, indem ich PEUGEOT oder CITROËN Garagen anfahre oder gar eine Bar, ein Ristorante oder Hotel. Aufgrund meines mittlerweile avancierten Fahrstiels und mit mehr Selbstvertrauen im Umgang mit knapp werdender Energie entschliesse ich bei Reggio Emiglia, die Stadt rechts liegen zu lassen und bis Modena zu fahren, wo ich -mit mehr Glück als Verstand, weil die Batterien halt wieder praktisch leer sind- gerade noch den dortigen concessionaria Peugeot erreiche, bevor die Garage für die Nacht schliesst. Wäre ich nicht so wagemutig gewesen bzw. hätte ich in Piacenza die Möglichkeit gehabt, den Energiebedarf für die Strecke von Piacenza nach Modena zu berechnen, hätte ich gesehen, dass die Strecke insgesamt 115.1 km beträgt, was eigentlich zu weit ist, wenn ich mit 80 km/h auf der Autobahn fahre. 

Was übrig bleibt: Alles in Allem ein aufschlussreicher und abwechslungsreicher Tag, Ende gut, Alles gut, ein Tag, den ich mit einem leckeren Essen im La Vignolese beschliesse und mich obendrein auch noch gleich mit dem Taxi zurück ins Hotel Astor an der Via Minelli, 61 fahren lasse. Ja, und jetzt ist es ist kurz vor 01:00. Ich grüsse herzlich. Und wünsche einen guten Morgen

Martin 

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