Dem Süden entgegen

E-Mail
von: karl 
Betreff: in labyrintho?
Datum: 26. März 2013 09:04:00 MEZ
An: Martin Bühler

Lieber Martin,

da war mein Herzklopfen den gestrigen Tag über also nicht unberechtigt, obwohl ich nur vom Wetter ausgegangen bin. Den ganzen Tag über hat es bei uns geschneeregnet und dadurch ist mir unsere Sommerreifenfahrt mit dem Mietauto wieder sehr bewusst geworden. Unwillkürlich bin ich dauernd ins Rechnen gekommen, ob Dein leichteres E-Mobil einen Vorteil hat, weil nicht soviel Masse ins Rutschen kommt, wenn Du bremsen musst - abgelöst von dem Gedanken, wie Du ungeheizt in der kleinen Kiste sitzt und Deine Eisblumen nach Süden fährst. Auf nach Italien! Selten hat dieses Motto solche Bestätigung für mich bekommen, andererseits ist es doch auch beeindruckend, wieviel schwieriger Deine Entsagungs-Tour gegenüber den großvolumigen Limousinen wird. Daran ermesse ich, dass unsere Retro-Sehnsucht von einem hohen Niveau ausgeht und dementsprechend die Verwirklichung des Idealismus manchmal ganz schön anstrengend sein kann.
Jetzt zittern wir beide mit Dir weiter, gleichermaßen von Kälte und Abenteuer und hoffen:
a) dass Du die Nacht doch noch in einem guten Bett verbracht hast
b) dass Du heute endlich die hässliche nördliche Seite dieses großen Gebirges überwindest, um ins gelobte Land zu gelangen...

...eben höre ich mit Erleichterung, dass es im Wallis sonnig sein soll: Das befördert Deine Aussichten doch erheblich.
Und so warte ich sehr gespannt auf Deinen nächsten Etappenbericht. Das ist doch ein Vorteil Deiner häufigen und gründlichen Etappen.


bon voyage!

Karl



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Etappe 5: Buochs LU - Autobahnraststätte Piotta A2 Gotthard Süd


Routenplanung

Distanz: 
Ladestand Batterie bei Ankunft:
Ladezeit:
Ladestand Batterie bei Abfahrt:
Mutmasslicher Stromverbrauch:
Mutmasslicher Batteriestand b.Ankunft
Abfahrt:
Fahrzeit
72 km
5%
> 8 Stunden
100%
? %
? %
06:45
1 Stunde 30 Minuten


Ladestation
Angaben zur Ladesäule
CH-6776 Piotta
Gotthard-Raststätte A2 (Richtung Süden)

Essen: Autobahnrestaurant
- 3 Anschlüsse: CHT23 (3x16A)
- Stromkosten: gratis
- Standort: Steckdosen unten an den Säulen bei den Parkplätzen (ca. 30 cm über dem Boden); Zufahrt nur über die Autobahn möglich

- LEMnet Nr.: 1797 WGS84: 46.846852, 8.632325
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Ich bin dem Süden einen Schritt näher! Es ist Dienstag Morgen, 26. März 2013 und ich sitze im Ristorante der Autobahnraststätte Piotta A2 Gotthard Süd. Der Himmel ist leicht bewölkt, ab und an ein kleiner Flecken Blau, die Sonne kann nicht mehr weit sein.
An der TexxEnergy-Ladestation Hotel Postillion Buochs LU

Das war heute noch nicht überall so, denn als ich kurz nach sechs Uhr aus dem Postillion trete, um nach meinem Elektropferd zu sehen, traue ich meinen Augen nicht: Schnee, so weit das Auge reicht. Und: Der kleine Flitzer - eingeschneit! Darauf war ich nicht vorbereitet. Also keine Handschuhe dabei und kein Beseli. Und ich denke: So schön die grosse Frontscheibe ist, wenn sie von Eis und Schnee befreit werden muss, dann wäre kleiner besser. Nun, ich kehre zurück in die 'Säumerstube', geniesse ein gutes Nullachtfünfzehnhotelfrühstück und gebe beim Verlassen des Hauses an der Rezeption meinem Ärger darüber Ausdruck, dass den Hotelgästen der Zugang zum Internet nur gegen Bezahlung von CHF 9.- zur Verfügung steht. Das war mir nun einfach zu teuer nur um meine E-Mails abfragen zu können. Andererseits hätte ich gerne noch einmal bei jurassictest.ch/GR nachgerechnet, um wie viel grösser der Energieverbrauch sein wird für die morgige Etappe, da ich ja nun von Buochs aus fahre und die sich die Strecke natürlich jetzt anders weil länger gestaltet als dass ich sie ursprünglich vorgesehen hatte. Eine wichtige Erfahrung kann ich jetzt schon verbuchen: Unterwegs sein mit einem Elektroauto heisst auch, die Möglichkeit haben, via Internet mit den vorhandenen Tools in Verbindung sein zu wollen, sei es für das Auffinden eines neuen Etappenziels, einer näher gelegenen Ladestation oder auch nur, um sich noch einmal zu vergewissern, dass die Planung stimmt. Wie mir von der Hotelleitung versichert worden ist, steht das Hotel für eine kundenfreundlichere Lösung mit der Swisscom in Verhandlung.

Die Fahrt von Buochs LU, vorbei an der Autobahnraststätte Gotthard Nord, hinauf den Berg, hinein, hindurch und hinaus aus dem Tunnel - alles verläuft wie am Schnürchen, einfach toll. Ich geniesse die entschleunigte Fahrt, höre Musik, Dank dem praktisch nicht wahrnehmbaren Summen des Elektromotors sind selbst die ruhigen, warmen Partien bei den Goldberg Variationen ein Ohrenschmaus. Entspannt nehme ich die Ausfahrt zur Autobahnraststätte Gotthard Süd, fahre vorbei an den Kraftstofftanksäulen und halte gespannt Ausschau nach einer Säule zum Aufladen von Elektroautos. Bei LEMnet hatte ich zum Standort gelesen: Steckdosen unten an den Säulen bei den Parkplätzen (ca. 30 cm über dem Boden). Doch die Frage ist: Welche Parkplätze sind gemeint? Die vielen bei den Tanksäulen oder die wenigen direkt vor dem Restaurant? Wohl sehe ich die sehr hohen, runden Betonpfeiler, die das riesige Dach tragen -eine Konstruktion übrigens aus der Feder des Architekten Mario Botta- doch da sind nirgendwo Steckdosen. Also erkundige ich mich im Autobahnrestaurant. "Mi dispiace tante, Signore, ma qui non ci sono possibilite per ricaricare machine eletriche." Es hätte schon letzte Woche jemand nach diesen Steckdosen gefragt, doch wo keine sind, da gibt es keine. Tja, was nun? Glücklicherweise hatte mir Remo gestern angeboten, dass ich ihn wenn nötig anrufen kann. Es ist nötig. Ich rufe an. Und erfahre, dass in jeder dieser riesigen Säulen auf der Rückseite eine Steckdose eingelassen ist, die angezapft werden kann. Gratis. Gehört - gesucht - gefunden. Der Ladevorgang beginnt um 08:30, derweil ich mir endlich einen Capucino mit Croissant gönne. Und mein Bordbuch nachführe. Dabei stelle ich mit grossem Erstauen fest, dass ich diese lange Strecke gemäss Angaben bei jurassictest.ch/GR eigentlich gar nicht hätte schaffen können, denn nach der 72 km langen Strecke mit vorwiegend Bergfahrt hätten die Batterien zu 101.7% entladen sein sollen! Waren sie aber nicht ...  


Comunque, kurz nach Zehn Uhr ist der Energiestand im Auto bei rund 60% und bei mir bei 100% angelangt, was mich veranlasst, Kabel und Ladegerät einzupacken und frohgemut gen Süden weiter zu fahren. Ziel: Mendrisio. Hätte ich im Autobahnrestaurant Zugang zum Internet gehabt um den mutmasslichen Energiebedarf für diese Strecke zu berechnen, hätte ich feststellen können, dass die Energiereserven nicht ausreichen werden. Getragen von grossem Optimismus fahre ich jedoch los, es geht ja in erster Linie talwärts, denke ich, und ich will unbedingt vor 12 Uhr beim Centro di Competenza Infovel in Mendrisio sein, um dort in den Genuss einer mir in Aussicht gestellten Schnellladung zu kommen. 


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